Jung, weiblich, Chef.

Gleich zu Beginn meiner Karriere lagen mir drei riesige Steine im Weg: Ich war erstens jung, zweitens weiblich und drittens auf einem Posten gelandet, für den ich – heute kann ich so ehrlich sein – nicht annähernd qualifiziert war.

Gibt es etwas Lustigeres als das Wörtchen ›eigentlich‹? Eigentlich wollte ich nach dem Abitur raus aus der Kleinstadt, studieren, Leute kennenlernen, feiern gehen, hier und da vielleicht mal einen über den Durst trinken, und – Ja! – auch in irgendeiner coolen Firma irgendeine coole Karriere machen. Die notwendigen Jobangebote dafür hatte ich. Eigentlich. Doch dann wurde meine Oma krank, die Matriarchin unseres Familienunternehmens, das zuhause immer mit am Esstisch saß wie ein zweiter kleiner Bruder. Ein lauter, nerviger kleiner Bruder, der ständig die Aufmerksamkeit der Familie auf sich zog. Der gefüttert und verhätschelt werden wollte.

Oma hatte das Unternehmen Ende der 60er gegründet. Ihr Startkapital: 1.000 Hühner! Als sie krank wurde, war der Betrieb zu einem Mittelständler mit knapp 160 Angestellten gewachsen – heute sind es 200. Eigentlich sollte jemand anderes die Nachfolge antreten. Eigentlich. Denn es kam anders als geplant: Plötzlich lag mein Name auf dem Tisch und ich musste mich entscheiden: meinen eigenen Weg weitergehen? Oder Verantwortung für den Familienbetrieb übernehmen?

Die ersten 100 Tage als Nachfolgerin waren ein einziges Gehangel von einer Überforderung in die nächste. Ich musste meine eigenen Träume zurückstellen und in kürzester Zeit lernen, was es heißt, eine Firma zu führen. Ich war 21 und für diese Aufgabe nicht annähernd qualifiziert. Trotzdem tat ich nach außen so, als hätte ich alles im Griff. Ich versuchte, älter und erfahrener zu wirken, keine blöden Fragen zu stellen oder Schwäche zu zeigen. Ich hatte das Bild der toughen Unternehmerin im Kopf, die alles weiß und alles kann. Bis zu jenem Tag, an dem ich die Fassade nicht mehr aufrechterhalten konnte – und auf einer Gesellschafterversammlung weinend zusammenbrach.

Die nächsten Abende und Nächte verbrachte ich mal wieder vor dem Bildschirm – dieses Mal nicht mit Bilanzen und ellenlangen Excel-Tabellen, sondern auf der Suche nach Hilfe. Nach jemandem, der mir einen Weg heraus zeigen könnte aus dem steten Gefühl des Überfordertseins. Das hat gedauert, weil ich lange an falscher Stelle gesucht habe: Es gibt zahlreiche Leadership- und Nachfolge-Programme für junge Menschen in Führungspositionen. Leider sind viele davon sehr theoretisch und werden oft von Leuten angeboten, die nie selbst ein Unternehmen geführt und mit ihrer eigenen Familie zusammengearbeitet haben. Und die auch nicht wissen, wie man sich als junge Frau in einer von Männern dominierten Arbeitswelt durchboxt.

Johanna Schirmer übernahm mit 21 Jahren die Nachfolge des Familienunternehmens und den Vorstand der Familienstiftung. Sie lernte im Schleudergang was es heißt, ein Unternehmen zu führen. Davon erzählt sie in ihren Vorträgen.

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Heute weiß ich: Das geht auch anders. Weniger theoretisch-strukturiert, mehr Trial-and-Error – dafür aber lebhafter und praxisnaher. Für mich hat sich so ziemlich alles zum Besseren gewandt. Vor allem ich mich selbst. Ich bin an der Herausforderung gewachsen. Ich gehe meinen Weg und habe Erfolg. Meistens. Und wenn nicht – mache ich es beim nächsten Mal eben besser. Jeder Tag hält seine kleinen Stolpersteine bereit, aber die großen Steine vom Anfang habe ich hinter mir gelassen. Es war ein schmerzhafter, aber auch ein sehr spannender Prozess für mich, über den ich erzählen möchte.

Mit meiner Keynote richte ich mich vor allem an junge Talente, an Nachfolger*innen und Unternehmer*innen. Mein Vortrag lebt von den vielen Fehlern, die ich gemacht habe – und immer noch mache. Von all den Fettnäpfchen, in die ich getreten bin. Von den kuriosen Situationen, die ich als junge Chefin erlebe, die oft zum Lachen und manchmal auch zum Haareraufen sind. Aus denen ich täglich lerne und die ein schöner Impuls für andere junge Führungskräfte sind!

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